Vom Sitzen – Balimo, Swopper und Co.

Der heutige Blogartikel wurde inspiriert durch den Vortrag von Physio Görz letzte Woche, besonders durch einige Fragen rund ums Sitzen aus dem Publikum. Das leidliche Problem des 8 Stunden Bürojobs ist vielen von uns bekannt – was leidet ist unser Rückgrat und so ziemlich alles was daran befestigt ist. Zum Glück hat sich die Industrie mittlerweile einiges einfallen lassen um dem starren Sitzen/Lümmeln auf herkömmlichen Bürostühlen ein Ende zu setzen. Weil diese allerdings nicht die Wohlfahrt ist, kosten diese Alternativen oft bis zu mehreren hundert Euro. Ich möchte Euch heute einige dieser Sitzmöbel vorstellen, Vorteile (Versprechungen) und Nachteile aufzeigen, sowie an geeigneter Stelle meine eigene Meinung bzw. Erfahrung mit diesen einbringen.

Reiter´s Liebling: Der Balimo

Der Balimo in einfacher Holzausführung. (c) http://shop.balimo.org/wood/
Der Balimo in einfacher Holzausführung. (c) http://shop.balimo.org/wood/

Die kleine Vorstellungsrunde soll der Balimo beginnen. Er ist jener Stuhl, der besonders Reitern wohl als erstes in den Sinn kommt, wenn er über „aktives“ Sitzen nachdenkt. So gut wie jeder in der Reiterszene, weiß woher bzw. von wem die Idee zu diesem „drei-dimensionalen Stuhl“ stammt: von Eckart Meyners, Bewegungstrainer, Ausbilder und nicht zuletzt Wissenschaftler. Zahlreiche Kurse, auch Bewegungstraining genannt ( in diesem Jahr wieder bei uns) finden mit dem Ziel statt – den Körper des Reiters zu lockern und so dem Pferd ein besserer Partner auf seinem Rücken zu sein. Genau dieses Ziel verfolgt auch der Balimo. Durch das Kugelgelenk, welches in der Sitzfläche eingebaut ist kann sich der Sitz in alle Richtungen kippen (lassen). Das Bild auf der linken Seite mag etwas irritierend sein, wenn man vorher noch nie auf einem Balimo gesessen hat. So waagerecht wie im Bild ist die Sitzfläche nur, wenn jemand auf ihm sitzt – und sich dazu noch richtig anstrengt 😉 Die Homepage des Balimos gibt viele Infos über das System und die Vorteile von diesem. Besonders überzeugen positive Berichte von zahlreichen Physiotherapeuten oder von universitären Arbeitsgruppen. Beide schreiben im sog. Informationsmanual (hier nachzulesen) über die Anwendung in der Rehabilitation bei Bandscheibenvorfällen, zur Therapierung von mangelndem Bewegungsgefühl, oder über die Anwendung bei Schmerzen im Lendenwirbelbereich. Angehängt sind auch positive Stimmen von populären, sowie Freizeitreitern.
Ein weiterer Pluspunkt ist die breite Spanne an Übungen, die durch Eckart Meyners und seinen Trainern entwickelt wurden. Eine gezielte Lockerung ist hier unter Anleitung oder durch Selbststudium (großes Angebot an Büchern) jeder Zeit und gezielt möglich.
Preislich liegt der Balimo bei stolzen 300 – 400 Euro, je nach Ausführung. Weil aber auch die deutsche reiterliche Vereinigung überzeugt von dessen Wirkung ist, erhalten persönliche Mitglieder einen Rabatt von 10% (mehr dazu hier). Trotz dessen will eine solche Anschaffung natürlich wohl überlegt sein. Zu bemerken ist, dass es im Internet keinerlei negativen Stimmen bzgl. Schäden, Schmerzen oder allg. schlechten Erfahrungen zu diesem System gibt. Kritik findet man vor allem im hohen Preis, im spartanischen Look (an dem mittlerweile gearbeitet wurde) und fehlenden Verstellmöglichkeiten. Der Balimo ist einzig in der Höhe verstellbar, d. h. eine Steigerung/Abschwächung der Intensität ist vom Stuhl aus nicht vorgesehen.

Persönliche Meinung: Bereits nach den ersten Minuten merkt man wie sehr die  Muskulatur arbeitet.Der Rücken, der Bauch – alles. Insgesamt war ich 20 Minuten auf dem Balimo gesessen und habe Übungen gemacht. Am nächsten Tag … ja fragt mal lieber nicht. Als Trainingsgerät würde ich den Balimo jeder Zeit jedem, nicht nur Reitern, wärmstens empfehlen. Als reiner Bürostuhl wäre ich allerdings skeptisch. Mir wäre er für einen ganzen Sitz-Tag doch ein wenig zu hart. Auch fehlt mir eine Bewegungsrichtung, die ich z. B. beim Swopper habe…

 

Die Luxus-Class: Der Swopper

In noch mehr Richtungen geht der Swopper (c) www.aeris.de
In noch mehr Richtungen geht der Swopper (c) www.aeris.de

Weiter geht es mit dem Swopper. Preislich liegt dieser noch einmal eine ganze Ecke höher – 500 – 700 Euro muss man für diesen Stuhl hinlegen. Doch dieser Preisanstieg ist im Vergleich doch (einigermaßen) gerechtfertigt. Der Swopper bewegt sich nämlich nicht nur horizontal in jede „Uhrzeit“ sondern er beherrscht es auch sich zu neigen, und zu wippen. Der Hersteller spricht in einem seiner Plakaten von einer wahren Sitzrevolution. Der Stuhl, bzw. durch die nicht zu vermeidende Bewegung wird die Durchblutung angeregt, Muskeln trainiert, Konzentration gefördert, zusätzliche Kalorien verbrannt (!?) und und und – dies sind nur einige Punkte aus dem toll gestalteten Plakat (für Euch hier). Auch bei diesem Produkt findet man zahlreiche – überaus positive Kundenmeinungen. Besonders viele Eltern schreiben auch von fördernder Wirkungen bei ihren Kindern z. B. beim Hausaufgaben machen (Den Swopper gibt es auch extra in Kindergröße). Verschiedene Tests – a la Stiftung Warentest – finden an diesem Stuhl ebenfalls fast nichts negatives (sieht man mal vom sehr hohen Preis ab). Im Gegensatz zum Balimo findet man allerdings keine „Expertenmeinungen“. Wissenschaftliche Belege für die Versprechungen des Plakats waren nicht zu finden.
Das äußere Erscheinungsbild kann ebenfalls noch einmal punkten. Zahlreiche unterschiedliche Bezüge in unterschiedlichen Farben, genau wie das Gestell, welches ebenfalls in diversen Ausführungen zu bekommen ist. Beim Kauf muss auf eines jedoch aufgepasst werden: die „Wipp“-Funktion ist auf verschiedene Gewichtsklassen ausgelegt. Das heißt im Laden oder im Internet noch einmal genau aufpassen. Allgemein bietet der Swopper schier unendlich viele Verstellmöglichkeiten – schweres oder leichtes neigen  und wippen – das erleichtert auch den Einstieg erheblich. Zwar sollte man auch hier erst einmal mit wenig Zeit auf dem Stuhl beginnen, doch kann die Intensität auch durch die Verstellmöglichkeiten sachte gesteigert werden.
Diese Verstellmöglichkeiten bringen allerdings auch einen Nachteil mit sich. Der Stuhl wird für jede Person indivuell angepasst – z. B. ein Ehepaar, am gemeinsamen Schreibtisch wird sich mit nur einem Swopper nur wenig gefallen tun. Die „Gewichtsklassen“ sind oft zu unterschiedlich.

Persönliche Meinung: Lange war er auf meinem Wunschzettel ganz oben – und ich kam, sah und kaufte als ich ihn beim „neuen“ Höffner in Fürth entdeckt und probe-gessen habe. Auch ich muss sagen, mich hat das Fieber vom ersten Moment total ergriffen. Ich LIEBE diesen Stuhl. Da freut man sich schon fast aufs Lernen – immer verbunden mit stundenlangem Sitzen. Auch das Schreiben dieses Artikels macht einfach nur Spaß. Ich habe Stück für Stück den Stuhl weicher gestellt – still sitzen gibt es gar nicht mehr. Verrückt ist auch, wenn man doch einmal in der Bibliothek sitzt vermisst man das „swoppen“ schon fast … Auch mein Rücken kann nur Positives berichten: weniger Verspannungen, allgemein weniger Schmerzen. Großes Pluspunkt ist zuletzt der Gedanke, dass man wirklich vielleicht ein paar Kalorien verbrennt 😀 Ich bin wirklich 100 Prozent von diesem Teil überzeugt und muss sagen, dass ich trotz mini-Stundentengehalt diese Anschaffung mit keinem Cent bereue.

 

Die kleine Alternative: Togu Dyn-Air Luftkissen

Die kleine und auch wesentlich günstigere Varianten (20 – 50 Euro) zu den beiden vorgestellten Stühlen sind solche Luftkissen – wie hier das Togu Dyn-Air. Die Idee dahinter ist aber die Selbe: wir halten den Menschen oben drauf in Bewegung, entlasten den Rücken und halten die Bandscheiben in Schwung. Auch hier verspricht der Hersteller eine Erhöhung der Konzentration. Im Gegensatz zum Swopper gibt es hier wissenschaftliche Stimmen. „Geprüft und empfohlen vom Forum: Gesunder Rücken – besser leben e.V. und dem Bundesverband der deutschen Rückenschulen (BdR) e.V.“
Auch die Bewertungen, sei es auf Amazon, oder über verschiedene Test-Foren sind durchweg positiv. Anwendung finden die Kissen im Büro, im Sportunterricht und auch wieder im Kinderzimmer.
Die Kissen gibt es ebenfalls in zahlreichen Ausführungen – mit und ohne Noppen, unterschiedliche Größen und Farben. Die Materialien unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller – oft ist es aber vergleichbar mit dem von Gymnastikbällen. Verstellmöglichkeiten gibt es (leider) nur eine: die Menge an Luft, die mit handlichen Luftpumpen hineingepumpt wird und so den Härtegrad, bzw. die Schwierigkeit Gerade zu bleiben einstellt.
Auch für dieses „Trainingsgerät“ findet man einige Übungen – sogar die Balance kann trainiert werden, wenn man das Kissen nicht unter dem Hintern, sondern unter den Füßen einsetzt.
Zu bemerken sind erneut die fehlenden negativen Stimmen. Die Leute scheinen wirklich Gefallen am aktiven Sitzen zu haben (ich auch 😉 ).

Eines solcher Sitzkissen ist das Togu Dyn Air. (c) Amazon
Eines solcher Sitzkissen ist das Togu Dyn Air. (c) Amazon

Persönliche Meinung: Das Kissen war der Vorgänger vom Swopper. Preislich ist es für den Studenten-Hintern einfach viel erschwinglicher. Auch hier gab es die ersten Tage schönen Muskelkater, besonders im Lendenwirbelbereich. Das Sitzen ist also auf jeden Fall viel aktiver, nach links, nach rechts, nach vorne, nach hinten. Nach ein paar Stunden habe ich mich jedoch immer wieder dabei ertappt, dass ich das Kissen weggelegt habe – und wenn ich es nicht weggelegt habe, habe ich mich dank der Lehne richtig schön zurückgelümmelt. Zugegeben sehr bequem, aber nicht wirklich die Idee des Erfinders. Mein Fazit: Für kurze Aufenthalte vor dem PC, oder am Schreibtisch ist das Kissen eine günstige und gute Alternative. Aktives Sitzen ist definitiv ausreichend gegeben.

 

Die günstige Alternative: Gymnastikball

Der letzte in der Runde ist der Klassiker: der Gymnasikball, oder im Volksmund Pezziball. Ohne viel darüber zu schreiben, ihn kennt ja sowieso jeder, der Ball ist aktives Sitzen pur. Man ist ständig dabei sich auszubalancieren. Bunte Farben machen gute Laune und noch ein Pluspunkt gibt es für die Bequemlichkeit. Letztlich ist er auch noch der Günstigste in der Runde: mit rund 10 Euro ist man hier locker im Geschäft.

Persönliche Meinung: Ich mag es immer noch sehr auf Gymnasikbällen zu sitzen. Als Kind hat man sich ja jeden möglichen Mist mit den riesigen Bällen ausgedacht. Doch was für Kinder so riesig erscheint, ist wenn man vor dem PC am Schreibtisch sitzt gar nicht mehr so groß. Selbst bei den Größten hatte ich persönlich immer das Problem, dass ich meine Arme nicht hängen lassen konnte – sie stehen immer im 90° Winkel ab, und das ist auf Dauer echt unbequem. Zum aktiven Sitzen vor dem Fernseh – wer das überhaupt mag – perfekt, oder auch mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch – perfekt. Aber für handelsübliche Schreibtische konnte ich  mich nicht mit dieser Lösung anfreunden.

 

Das Sitzkissen unter dem Fuß - beim Bewegungstraining
Das Sitzkissen unter dem Fuß – beim Bewegungstraining

Aktives Sitzen ist, wie wir gesehen haben auf viele Arten möglich – und das auch mit jedem Geldbeutel. Selbst in diversen Möbelhäuser finden Stühle mit beweglichen Sitzflächen immer mehr Einzug. Das heißt es muss auch nicht immer die Luxus Version des Swoppers sein.

Für mich persönlich ist es – nachdem sich mein Rücken an die neue Art zu Sitzen gewöhnt hat – immer wieder ein Graus z. B. in der Bibliothek auf starren Stühlen zu sitzen. Wie viel es für jeden Einzelnen bringt muss natürlich jeder selbst entscheiden. Ich für meinen Teil kann aber mit Überzeugung sagen, dass es mir, Rückengeplagt schon in relativ jungen Jahren, wirklich geholfen hat – und diese Meinung geben auch zahlreiche Internetuser an uns weiter. Ganz nach dem Motto: Einmal aktives Sitzen – immer aktives Sitzen 😉