Bericht Pferderücken vs. Reiterrücken

Der heutige Blogeintrag ist auch gleichzeitig der Bericht für die tolle Veranstaltung am letzten Sonntag – es ging/geht um unseren Rücken!

20160605_7D_IMG_7998_kGenauer gesagt, hatten wir Brigitte Görz von Physio Görz bei uns zu Gast. In der urigen Partyscheune der Reitanlage Schwab durften wir es uns aber nicht allzu gemütlich machen. Denn wer sich mit unserem und dem Körper unserer Pferde beschäftigen will – der muss mobil sein 😉

Begonnen wurde mit funktioneller Anatomie und das war gar nicht so langweilig wie es zuerst klingen mag. Über die Anzahl der Wirbel, die Wichtigkeit von Muskeln, Bänder und Faszien bis hin zu der Diskussion über Stellung und Biegung – doch eine Information hat mich persönlich besonders beeindruckt:

Das Nackenband – ein Band was besonders durch (leider immer noch) aktuelle Rollkur-Fälle in das Bewusstsein der Reiterei gekommen ist. Es ist ein starkes Band, das am Schädel des Pferdes beginnt, am Hals die Grundlage des Mähnenkammes bildet und über den Widerrist und über den Rücken bis hin zum Kreuzbein verläuft. In der Zwangshaltung der Rollkur wird dieses Band schmerzhaft überdehnt.
Einer besonderen Aufgabe kommt dieses Band jedoch auch beim Fressen, z. B. beim Grasen nach. Das Nackenband wölbt den Rücken nach oben und zieht die Dornfortsätze leicht auseinander. Das Fressen am Boden ist also für die gesamte Wirbelsäule des Pferdes ungemein entspannend. Wenn das bei uns doch auch nur so wäre…

20160605_7D_IMG_8003_kAls nächstes befassten wir uns wie bereits angekündigt auch mit unserer Wirbelsäule. Da fühlt man sich doch leicht ertappt, wie man schon jetzt auf dem Stuhl lümmelte …
Wir lernten auch hier verschiedene Muskelgruppen und deren Probleme kennen. Einer davon ist der Musculus Latissimus dorsi – einer, der besonders bei Bodybuildern bekannt ist, denn er macht einen schönen breiten Rücken. Doch auch für uns Reiter ist dieser Muskel (der auch fürs Husten zuständig ist) sehr wichtig. Er ist sehr oft verspannt und ist so eine der top Ursachen für Rückenschmerzen, oder einen schiefen, steifen Sitz. Zum Glück gibt es passende Übungen, die den Muskeln gut dehnen. Also hieß es für uns: Aufstehen, nachmachen, nachfühlen… (letzteres kannten einige ja schon vom Bewegungstraining 😉 )

Nachdem nun auch der Wetter-Gott Gnade mit uns hatte und das Gewitter endlich aufhörte – ging es raus an die frische Luft für noch mehr Bewegung. Stellung und Biegung, für jeden Reiter ein wichtiges, wenn auch nicht immer geliebtes Thema wurde mit Übungen behandelt.

20160605_7D_IMG_8033_kWie fühlt es sich also an, so von links nach rechts und von rechts nach links umgestellt zu werden. Schulterherein links, Schulterherein rechts. Warum funktioniert es einmal so gut und einmal so schlecht? Die Frage war/ist gar nicht so schwer zu beantworten: wir führen Tag für Tag einseitige Bewegungen aus – am Computer, beim Autofahren, selbst in der Reithalle haben wir unsere „Lieblings-Hand“ – die gefällt auch unserem Pferd viel besser…

Richten wir unseren Blick noch genau auf diese Verbindung zwischen Pferd und Reiter. Die Schnittstelle unserer beiden Körper ist stets der Rücken. Doch in diesem Detail liegt auch der Teufel: sobald einer von beiden verspannt ist klappt das ganze nicht mehr. Der Expertentipp: In der „akuten“ Situation einfach eine Pause machen und durchschnaufen. Viel wichtiger ist jedoch die Prävention für Zwei- und Vierbeiner. Wer glaubt, man könnte aus dem „Energiesparmodus“ von Couch, oder Autositz direkt auf unseren Partner Pferd steigen „und Grand-Prix reiten“ der irrt sich leider. Auch hier kreisten unsere Gedanken um Ausgleichsport – doch die Wahl ist gar nicht so einfach: Joggen – da macht man ja immer nur Schritt links, Schritt rechts – besonders auf dem Laufband sehr eintönig. Eine Links- oder Rechtsschwäche wird hier nicht behoben und die Motivation bleibt auch noch auf der Strecke. Genau das gleiche gilt fürs Radfahren, fürs Bogenschießen (hier sogar nur einseitiges Training) und leider auch für vieles weitere, was uns in den Sinn gekommen ist. Die Lösung ist aber gar nicht weit entfernt – warum läuft man auf einem Laufbahn oder auf einer Aschenbahn – wir sind Reiter, wir haben uns diesen Sport ausgesucht um in der Natur zu sein und das funktioniert auch wunderbar in Laufschuhen. Querfeldeinlauf über Wurzeln und Baumstämme ist das perfekte Training für jeden Muskel! Auch die Ausdauer wird regelrecht explodieren. Wer es nicht ganz so wild möchte: dem sei Yoga oder einfache Kraftübungen empfohlen. Auch für das Pferd ist das Gelände der perfekte Trainer. Aber gemerkt sei: Nur ein wenig gebummel hilft keinem Pferderücken.

Der Tag wurde abgerundet von einigen Übungen auf Konrad – dem mitgebrachtem Holzpferd. Am Sonntag war der liebe Konrad aber doch sehr kopflos unterwegs… (siehe Bilder 😀 ) Was kann man tun um die Aufwärmzeit auf/mit dem Pferd zu nutzen? Diese und weitere Fragen konnten wir dank der fachlichen Kompetenz von Brigitte ausführlich beantworten – da haben wir sogar das leckere Grillgut ein wenig länger verweilen lassen. Zum Glück hatten Jürgen und Thomas alles unter Kontrolle 🙂 Vielen Dank dafür!

Was nehmen wir also von diesem besonders lehrreichen Sonntag Vormittag mit nach Hause? Oder anders gefragt, was möchte ich Euch heute mit auf den Weg geben?
Menschen sind nicht dazu gebaut 8 Stunden am Schreibtisch zu sitzen und sich dann nur noch vom Auto zur Couch zu bewegen. Wir sind dazu gemacht uns zu bewegen – aktiv zu sein – und genau das sollten wir auch. Nicht nur in unserem Sinne, sondern auch im Sinne unserer Pferde! „Nur ein fitter Reiter kann auch ein gesundes Pferd haben – und das gilt besonders für die Schnittstelle Rücken!“

Wir möchten uns ganz herzlich bei Brigitte für diesen tollen Vortrag bedanken – und allen anderen diese Veranstaltung wärmstens ans Herz legen!